Die turbolente Geschichte Nepals

Die ältesten archäologischen Funde Nepals stammen von vor 100 000 Jahren. Die meisten Volksgruppen kamen ursprünglich als Jäger und Hirten nach Nepal, im ersten Jahrtausend nach Christi wurde das Bergland aus allen Himmelsrichtungen besiedelt. Vom tibetischen Norden her wanderten zunächst die Tamang, später die Gurung (500n.Chr.) und Sherpa (1530er Jahre) ein, die Khas drangen in Nepals westliches Bergland vor und brachten ihre Sprache, Nepali und ihre hinduistische Religion mit.

 

Im Jahr 1200 nahm der Thakuri König von Bhaktapur, Arideva, den Namen Malla an, dessen Dynastien die nächsten fünf Jahrhunderte herrschen sollte. Nepals „Goldenes Zeitalter“ begann, dessen Höhepunkt es unter Yaksha Mall in den Jahren zwischen 1428 und 1482 zu datieren gilt. Er weitete seinen Einflussbereich westwärts bis nach Gorkha und ostwärts bis nach Biratnagar aus. Seine Söhne erbten das Königreich und fortan bestand ein drei Jahrhunderte langer Streit zwischen den drei Königsstädten Kathmandu, Patan und Bhaktapur. Mit immer spektakuläreren Palästen und Tempeln versuchten sich die Throninhaber gegenseitig zu überbieten. Die Geschichte der Malla ist eine Geschichte der Künste, während ihrer Herrschaft entwickelte sich Kathmandu zu einer wohlhabenden Stadt als ein wichtiger Umschlagsplatz auf der alten Handelsroute zwischen Indien und Tibet. Auch wenn sich die drei Königshäuser nach außen hin immer verbündet zeigten, führte doch die innere Zerstrittenheit letztendlich dazu, dass sie im Jahr 1768 den Aufstieg des Prinzen aus Gorkha, Prithvi Narayan Shah übersahen und fehleinschätzten. Nach einem 20-jährigen Zermürbungskrieg und trotz Hilfe der Ostindienkompanie für den König Jaya Prakash Malla, fiel zuerst Kirtipur, anschließend Kathmandu, Patan und Bhaktapur an Prithvi Narayan Shah.

 

Die Geschichte des geeinten Königreich Nepal begann, das durch Eroberungen zahlreicher Gebiete, wie Nuwakot, sowie alle östlichen Gebiete bis Sikkim weiter wuchs. Der Regierungsstil Prithvi Shas schuf die Basis für ein stabiles unabhängiges Land. Er schottete Nepal gegenüber Indien ab und unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu China. Weitere Eroberungskriege und der Ausbau einer starken nepalesischen Armee dehnte das Staatsgebiet weit über seine heutigen Ost- und Westgrenzen hinaus. Erst im Jahr 1816 wurde die Expansion schließlich gestoppt, nachdem die Britische Ostindienkompanie nach zwei Jahren harten Kampf Nepal in seine Schranken wies und im Frieden von Segauli zwang seine heutigen Ost- und Westgrenzen zu akzeptieren und einen großen Teil des Tarei abzugeben. Aufgrund ihrer Kampfbereitschaft, ihrer Ehrlichkeit und ihres Mutes rekrutiert die britische Armee seither nepalesische Kämpfer, die sogenannten Gorkhas.

 

Im Jahr 1846 gipfelten grausige Massaker im Hofstaat in der Übernahme der Macht durch den jungen General Jang Bahadur Rana, der sich selbst zum König ernannte. Unter dem jungen Herrscher entstanden unzählige überkandidelte Paläste, statt Schulen oder Straßen. Sein Bruder Chandra Shamsher Rana, der seit 1901 regierte, war bekannt für den Bau des Singha-Durbar-Palastes mit seinen 1000 Zimmern, aber auch für die Abschaffung der Sklaverei sowie Witwenverbrennung, die Gründung der ersten Hochschule Nepals, der Errichtung des ersten Wasserkraftwerks, Hängebrücken sowie der berühmten Lastenseilbahn zwischen Kathmandu und dem Tarei. Erste Fabriken um Biratnager entstanden und Indiens Eisenbahnnetz baute die Strecke bis kurz hinter die nepalesische Grenze aus, die seither nie erweitert wurde.

 

Seit 1951 konnte die Rana-Herrschaft verdrängt werden. 1947 wurde die Nepali Congress Partei gegründet. Mithilfe der indischen Regierung und einer großen Anzahl an Kämpfern bereitete der König Tribhuvan Bir Bikram Shah dem Rana Regime ein Ende und verkündete die konstitutionelle Monarchie nach englischem Vorbild sowie die Schaffung demokratischer Verhältnisse. Doch schon sein Nachfolger Mahendra Bir Bikram Shah löste das Parlament 1960 wieder auf und steckte Bishweshwar Prasad Koirala, den Ministerpräsidenten und seine Anhänger für Jahre ins Gefängnis. Er stellte die absolute königliche Macht wieder her. Der Sohn Mahendra Bir Bikram Shas, Birendra Bir Bikram Shah, seit 1972 an der Macht, kümmerte sich mit seiner westlichen Bildung um eine Reihe lokaler Probleme, politische Parteien waren jedoch nach wie vor verboten. Er erklärte Nepal nach dem Vorbild der Schweiz zur Friedenszone mit Neutralitätsverpflichtung, ließ ein paar kleinere politische Reformen zu und erfreute sich allgemeiner Beliebtheit. Dennoch konnte er die schwelende Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht im Zaum halten und war gezwungen ein Mehrparteiensystem einzuführen.

 

1991 gab er eine neue Verfassung nach Vorbild der ersten Bemühungen König Tribhuvans hinsichtlich einer konstitutionellen Monarchie bekannt und schränkte damit seine eigene Macht enorm ein. Schon drei Jahre nach der ersten Wahl, die die Nepali Kongress Partei gewann, übernahmen 1994 die Kommunisten die Macht. Es folgte eine Zeit häufiger Regierungswechsel, von Korruption und Vetternwirtschaft. Aber auch Fortschritte, wie eine Ausweitung des Straßennetzes, die Senkung der Analphabetenrate und der Kindersterblichkeit waren in den ´90er Jahren zu verzeichnen.

 

1996 begannen bürgerkriegsartige Zustände. Die maoistische Untergrundsbewegung attackierte systematisch Polizeiwachen und Bezirksverwaltungen, schüchterte politische Gegner ein und brachte sie um. Andererseits renovierten die Maoisten während dieser Zeit Schulen, Gerichte und Gesundheitszentren und starteten Programme zur Stärkung der Rechte von Frauen und Minderheiten. 2001 beherrschten sie fast ein Viertel der 75 Bezirke Nepals und hatten eine weitere Hälfte unterwandert. Am 01. Juni 2001 wurde König Birendra sowie der größte Teil der Königsfamilie in einem bis heute nicht aufgeklärten Massaker umgebracht. Auch der Thronfolger Dipendra, der als mutmaßlicher Täter galt, starb einige Tage späten an vermutlich selbst zugefügten Verletzungen. Die Maoisten nutzten diese Gelegenheit antiroyalistische Gefühle in der Bevölkerung weiter zu schüren, dehnten Bombenanschläge aus und initiierten Generalstreiks. Der neue König Gyanendra verkündete den Ausnahmezustand, der Staat setzte das Militär gegen die maoistischen Rebellen ein. Bis zu seinem Ende kostete der Krieg 16 000 Menschen das Leben, ruinierte die Wirtschaft und überschwemmte Kathmandu mit Flüchtlingen aus den Kampfgebieten in den Bergen.

 

Im November 2006 unterzeichneten die Maoisten und die nepalesische Regierung nach siebenmonatigen Ringen ein Friedensabkommen, in dem festgelegt war, dass die Maoisten an der Regierung und der Ausarbeitung einer Verfassung beteiligt werden. 73 maoistische Abgeordnete zogen im Januar 2007 ins Parlament ein. Die Monarchie wurde endgültig abgeschafft, ein neues Staatswappen sowie eine neue Nationalhymne wurden eingeführt.

 

Nach weiterem politischen Tauziehen zwischen den einzelnen Parteien fanden schließlich am 10. April 2008 Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung statt. Am 29. Mai 2008 wurde die Demokratische Bundesrepublik Nepal ausgerufen und wird als Tag der Republik gefeiert. Der König zog im Juni aus dem Palast in seine Sommerresidenz Nagarjun. Heute ist der ehemalige Königspalast ein Museum. Im August 2008 wählte die Verfassungsgebende Versammlung den Maoistenchef Dahal zum neuen Premierminister.

 

Die Fusionierung der ehemals verfeindeten Truppen, der königlichen Nationalarmee einerseits und der Volksarmee andererseits erwies sich als schwierig und Parteigezänk lähmte die Regierung. Erst nach dem katastrophalen Erdbeben 2015 einigten sich die Politiker nach 10 Jahren endlich auf eine neue Verfassung. Im  September 2015 wurde die Aufteilung in sieben föderale Staaten verkündet. Es kam zur Blockade Indiens, da sich die Madhesis, die beiderseits der nepalesisch- indischen Grenze leben, im Parlament nicht genügend repräsentiert fühlten. Monatelang gelang fast kein Benzin, keine Medikamente sowie Baumaterialien nach Nepal. Erst als Nepal kleine Zugeständnisse machte, wurde die Blockade aufgehoben.

 

Seit Juni 2017 ist nun Sher Bahadur Deuba von der Nepali Congress Partei Premierminister, der weiterhin die schwere Aufgabe innehat, innerpolitische Differenzen zur allgemeinen Befriedigung zu lösen.

 

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