Im Hinduismus finden Gläubige das Göttliche nicht in Büchern oder Gebetsversammlungen sondern im sogenannten Dharma, einer bestimmten Lebensweise. Die wird
gekennzeichnet durch den rituellen Rhythmus der Tage und Jahreszeiten und die Familienbeziehungen.
Vor allem aufgrund der Tatsache, dass der Hinduismus andere Glaubensrichtungen und Lehren integriert, statt sie zu unterdrücken, existiert er schon länger als
alle anderen großen Religionen.
Die Seele eines jeden Einzelnen stellt einen verlorenen Teil der universalen Seele dar und die Dinge sind alle reine Illusion, so der Hinduglaube. Nur durch die Reinkarnation in
einer höheren Stufe durch die Ansammlung positiver Handlungen kann die Individualseele irgendwann wieder in die Universalseele eingehen.
Ursprünglich handelten die Veden, die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus von einem Pantheon aus Naturgottheiten, wie bespielsweise Indra, dem Regengott oder Surya, dem
Sonnengott. Erst nach und nach wurden sie durch die brahmanische Dreigestalt ersetzt – dabei verkörpert Brahma den Schöpfer, Vishnu den Bewahrer und Shiva den Zerstörer. Der Shivaismus, die
Verehrung Shivas als Hauptgott ist der in Nepal am Weitesten verbreitete Kult.
Vishnu, in Nepal auch Narayan genannt, steht für Würde und Gleichmut. Garuda, halb Mensch, halb Vogel ist sein Reittier und findet sich an vielen Tempeln wieder. Bis zu zehn
Inkarnationen werden Vishnu zugerechnet – vom Fisch, über die Schildkröte, zum Wildschwein, bis hin zum Rama in enger Verbindung zum Hanuman, dem Affengott und Krishna. Interessant ist die neunte
Erscheinung Vishnus, der Buddha. Die weibliche Form ist Lakshmi, die Göttin für Wohlstand.
Shiva hingegen hat unendlich viele Inkarnationen. Für viele Gläubige ist er jedoch schlicht und einfach Mahadev: der Große Gott. Das Fruchtbarkeitssymbol, der Lingam aus Stein
stellt das am weitesten verbreitete Symbol Shivas dar, welches mit Ringelblumen, rotem Puder und mittunter auch einer Yoni, dem Vulva-Symbol umgeben ist. Shivatempel erkennt man an dem trisul,
dem Dreizack sowie dem Bullen Nandi, Shivas Reittier. Sadhus verehren Shiva als Yogi, als hinduistischen Asketen. Als Winterresidenz dient ihm der bedeutende Pashupatinath-Tempel in Kathmandu.
Als Nataraja, der König des Lebenstanzes erschafft und zerstört er den Kosmos. Als Ehemann der Parvati und Vater des Ganesh symbolisiert er das Familienleben. Auf dem Durbar Square findet sich
die Bharaiv-Statue, die die Version des Shivas als Zerstörer ausdrückt. So muss nach hinduistischen Glauben sowohl das Gute als auch das Schlechte zerstört werden, um Raum für Neues zu
erschaffen.
Mahadevi, die Muttergöttin, als Gefährtin von Shiva wird durch das vulvaähnliche Yonisymbol und als Bhagwati, als Verkörperung der weiblichen kreativen Kraft dargestellt. Der
Kumarikult im Kathmandutal, die Verehrung eines jungfräulichen Mädchen geht ebenso auf Mahadevi zurück wie die Verehrung der Dämonenbezwingerin Durga, im ganz besonderen im großen Dashainfest.
Als zornige Kali ist die weibliche Ergänzung zu Bharaiv, dem Zerstörergott.
Ganesh mit seinem Elefantenkopf ist der Gott der Weisheit. Sein Reittier, die Ratte zeigt den im Hinduismus sehr ausgeprägten Sinn für das Mystisch-Absurde. Sein Vater schlug dem
Sonn versehentlich den Kopf ab. Einer Legende nach war er gezwungen den Kopf des Kindes durch denjenigen der ersten Kreatur zu ersetzen, die im begegnete.
In einer Puja, einem Opferritual zur Verehrung des Göttlichen zeigen sich Hindus allmorgendlich, am Abend sowie zu den zahlreichen Festtagen demütig. Blumen,
Räucherstäbchen, Licht und reine Speisen, wie Reis und Milch werden als Opfergaben dargebracht. Das sogenannte Tikka, ein Stirnmal aus Farbpulver oder Sandelholzpaste schließt die rituelle
Anbetung ab. So wie der Tag durch pujas geprägt wird, so gliedert sich auch das Jahr, den Festen entsprechend auf. Die wichtigsten Festtage im Herbst stattfindend sind Dashain
(siehe Blogartikel vom 27.3.) und Tihar, das große Lichterfest. Übergangsriten im Laufe eines Lebens sind außerdem wichtige Anlässe zum Feiern in Nepal. So gibt es beispielsweise
eine erste Reisspeise des Kleinkinds, das Wiedergeburtsritual für Jungs höherer Kasten oder ein Reinigungsritual für Mädchen um die erste
Menstruation herum. Für die Ausrichtung einer Hochzeitsfeier haben sich nicht wenige Nepalesen in Schulden gestürzt. Endlose Prozessionen, Geschenkübergaben, Opferrituale und
lautstarke Musikkapellen kennzeichnen ein solches Fest.
Priester, zuständig für wichtige Riten und Feste, können hauptberufliche Geistliche oder einfach Brahmanen sein. Sie gehören der obersten Kaste, der sogenannten
Brahmanenkaste an. Es folgt die Kriegerkaste, die Chetris, den widerum die Händler-Vaishya folgen. Unberührbare Tagelöhner und Bauern gehören
der niedrigsten Kaste an und werden bis heute teilweise vom Gemeinschaftsleben ausgeschlossen. Mischehen sind nach wie vor ein Skandal und führen zum Ausschluss aus der Familie. König Jayasthiti Malla führte das Kastensystem im 14. Jahrhundert ein und gliederte sein Volk in 64 Berufsgruppen. 1964 wurde das System abgeschafft.
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